Eine Zulassung des Betriebsplanes zur Injektion (Verpressung) von Lagerstättenwasser in die Bohrung Völkersen Nord Z3 ist nach unserer Auffassung zu versagen.

 Voraussetzung für die Zulassung ist gem. § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG, dass gemeinschädliche Einwirkungen nicht zu erwarten sind. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist zu beachten, dass gem. § 1 Nr. 3 oberstes Ziel des BBergG u.a. ist, die „Vorsorge gegen Gefahren, die sich aus bergbaulicher Tätigkeit für Leben, Gesundheit und Sachgüter Dritter ergeben, zu verstärken“. Hiermit lässt sich die Verpressung von Lagerstättenwasser nicht vereinbaren, da die bisher gemachten Erfahrungen im Umgang mit dem LAWA, die durch Studien etc. belegten Risiken und sonstige zu erwartende negativen Auswirkungen sich mit dem Vorsorgegedanken des § 1 Nr. 3 BBergG nicht in Einklang bringen lassen, vielmehr diesem geradezu entgegenstehen.

 

Bevor nachfolgend

  1. die bisher gemachten Erfahrungen im Umgang mit dem Lagerstättenwasser,
  1. die durch Studien etc. belegten Risiken und
  1. die sonstigen zu erwartenden negativen Auswirkungen

im Einzelnen dargelegt werden, soll allerdings noch einmal daran erinnert werden, dass der heutige niedersächsische Umweltminister und damalige Abgeordnete Stefan Wenzel in einer Anfrage aus dem Jahre 2012 zu Recht darauf hingewiesen hat, dass das Lagerstättenwasser „verschiedene für die Entsorgung bedenkliche Eigenschaften“ hat, und dass insbesondere über die „Langzeitwirkungen“ einer Verpressung von Lagerstättenwasser „bisher wenig bekannt“ sei. Zu den „Langzeitwirkungen“ hat der damalige Wirtschaftsminister Bode in der Beantwortung der Anfrage am 31.05.2012 dann in der Weise Stellung genommen, dass er als ein „mit dem Betrieb von Versenkbohrungen verbundenes Risiko“ u.a. den „möglichen Umstieg der versenkten Flüssigkeiten in höhere als den planmäßigen Versenkhorizont“ nannte und nicht auszuschließen vermochte, dass sich durch – allerdings noch nicht bekannte, weil nicht erforschte – chemische Reaktionen „Auswirkungen auf die Durchlässigkeit und das Aufnahmevermögen der Gesteine ergeben“ könnten. Unter anderem auch diese Einschätzungen werden durch die nachfolgend gemachten Ausführungen untermauert.

Erfahrungen aus der Vergangenheit im Umgang mit dem Lagerstättenwasser

Die Entsorgung des schadstoffbelasteten Lagerstättenwassers bildet neben dem ungefilterten Abfackeln und der zunehmenden Erdbebengefahr die größte Belastung für Mensch und Umwelt im Zusammenhang mit der Erdgas- und Erdölförderung in Deutschland. Die Vielzahl von Störfällen - auch nach bekannt werden der ersten Unfälle - beweisen, dass bis heute keine effektiven Maßnahmen zur Verhütung solcher Ereignisse getroffen wurden. Immer wieder gelangt Lagerstättenwasser mit allen giftigen Bestandteilen in die Umwelt, belastet Luft, Boden und Grundwasser und gefährdet die Gesundheit der Menschen.

Technische Probleme, ungeeignetes Material, aber auch menschliches Versagen haben dazu geführt, dass es bei der Erdgas- und auch bei der Erdölförderung bereits zu zahlreichen Zwischenfällen gekommen ist. Diese betrafen im Wesentlichen

  • die Lagerung und Behandlungen des Lagerstättenwassers an den Förderstellen,
  • den Transport durch ungeeignete oder leckgeschlagene Leitungen bzw. den Transport mit Tanklastwagen
  • und schließlich den Entladevorgang an den Versenkbohrstellen selbst.

Allein aus den Jahren 2011 bis 2014 sind folgende Vorfälle dokumentiert:

 

Störfälle im Bereich der Erdgasförderung

Januar 2011

Quecksilber im Erdreich, Hemsbünde

http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=28772&article_i

d=93451&_psmand=4

Februar 2011

BTEX-Bodenverunreinigungen, Hengstlage ( http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=28772&article_

id=94394&_psmand=4 )

August 2011

Austritt Lagerstättenwasser, Völkersen (http://www.weser-kurier.de/region/zeitungen/verdener-nachrichten_artikel,-Benzolverseuchtes-Wasser-im-Erdreich-_arid,179598.html)

Unzulässige Entsorgung kontaminierter Rohre. (Quelle: BT-Drucksache

17/14395 v. 12.07.2013 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/143/1714395.pdf)

Dezember 2011

Erhöhte Benzolgehalte im Grundwasser (bis zu 39.000 μg Benzol je

Liter), Völkersen (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_i

d=103554&_psmand=4)

Januar 2012

Tanklastwagen-Fahrer bei Verladearbeiten verletzt, Großenkneten (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_id=

102417&_psmand=4)

März 2012

Austritt von Lagerstättenwasser, Wardböhmen (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_id=

103785&_psmand=4)

Druckprüfung ergibt undichte Leitungen, Bötersen (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_id=

104226&_psmand=4)

Mai 2012

Brand in zwei Aktivkohlefilteranlagen an Lagertanks, Wittorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_id=

105856&_psmand=4; http://www.rotenburgerrundschau.de/redaktion/redaktion/full/data_anzeigen.php?dataid=93611&page=2&searchValue=grapenm%FChlen)

Juni 2012

Leckage an einer Transportleitung, Holtebüttel (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_id=

106279&_psmand=4)

Leckage an einer Transportleitung, Becklingen (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_id=

106405&_psmand=4)

Mai 2013

Austritt von Lagerstättenwasser durch Abschlagen eines Schlauches,

Wittorf

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/titel-115426.html; http://www.kreiszeitung.de/lokales/rotenburg/liter-giftiges-wasser-boden-2923416.html)

Juni 2013

Gefahrstoffe aus LKW ausgetreten, Hemsbünde

(Quelle: Polizeiinspektion Rotenburg)

September 2013

Lagerstättenwasser auf Förderplatz durch Leckage an einer isolierten

Stahlleitung ausgelaufen, Klosterselte

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=118298&_psmand=4)

Dezember 2013

Brennende Rückstände von Lagerstättenwasser gelangen beim

Abfackeln auf angrenzendes Gelände, Goldenstedt (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=120409&_psmand=4)

April 2014

Bodenverunreinigung durch Erdgaskondensat, Hellbusch

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id=12

4032&_psmand=4)

Juli 2014

Erhöhte Quecksilbergehalte im Boden, Söhlingen

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/titel-126171.html)

 

Vergleichbare Störfälle im Bereich der Erdölförderung

 

März 2011

Austritt von Nassölaus Sammelleitung, Rühlertwist (Nassöl besteht zu mehr als 90% aus Lagerstättenwasser)

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=28772&article_

id=94728&_psmand=4)

Juli 2011

Deutlich überhöhte Kohlenwasserstoff-Werte im Grundwasser,

Suderbruch (http://www.bi-ffhharburg.de/?page_id=257#steimbke2011)

November 2011

Verunreinigung von Ackerland durch Freisetzung von Salzwasser,

Eldingen (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=28772&article_

id=100446&_psmand=4)

März 2012

Erhöhte Benzolwerte im Boden, Nienhagen (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_

id=104815&_psmand=4)

Mai 2012

Leckage an einer Nassölleitung durch Instandhaltungsarbeiten,

Georgsdorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_

id=106231&_psmand=4)

Juni 2012

Austritt von etwa 25 m³ Lagerstättenwasser durch Leckage,

Scheerhorn (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_

id=106472&_psmand=4)

August 2012

Austritt von Erdöl und Lagerstättenwasser durch Leckage an

Erdölleitung, Voigtei (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_

id=107900&_psmand=4)

Leckage an einer Lagerstättenwasserleitung, Georgsdorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_

id=108018&_psmand=4)

Dezember 2012

Leckage an einer Lagerstättenwasserleitung, Rühlermoor (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=32352&article_

id=109318&_psmand=4)

Austritt von Lagerstättenwasser an einer Stahlzement-Leitung,

Georgsdorf (http://newsroom.erdgassuche-indeutschland.de/presseinformationen/leitungsschaden-im-erdolfeld-georgsdorflandkreis-

emsland/)

Januar 2013

Austritt von Lagerstättenwasser, Georgsdorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=112288&_psmand=4)

Schaden an Nassölleitung, Eldingen (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=112288&_psmand=4)

Februar 2013

Austritt von Nassöl durch Leckage, Barenburg (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=112815&_psmand=4)

April 2013

Austritt von Nassöl durch Leckage, Rühlermoor

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=114635&_psmand=4)

Juni 2013

Schaden an einer Nassölleitung durch Beschädigung seitens eines Landwirts beim Mähen seines Feldes, Siedenburg

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=115754&_psmand=4)

Juli 2013

Austritt von Lagerstättenwasser aus einer undichten Verflanschung,

Bockstedt (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=116788)

Austritt von Nassöl, Georgsdorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=116790)

Oktober 2013

Austritt von Lagerstättenwasser durch Leckage, Georgsdorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=118772&_psmand=4)

November 2013

Lagerstättenwasseraustritt und Sprühnebel, Georgsdorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=119466&_psmand=4)

März 2014

Lagerstättenwasser aufgrund eines undichten Verschlusses

ausgetreten, Georgsdorf (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=122722&_psmand=4)

April 2014

Verunreinigung von Ackerfläche durch Nassölaustritt bei

Wartungsarbeiten, Düste (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=123532&_psmand=4; http://www.heimischefoerderung.de/2014/04/produktaustritt-auf-erdoelfeld-dueste-2/)

Erneute Leckage mit einem Austritt von Nassöl, Düste (http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id=123962&_

psmand=4)

Juni 2014

Lagerstättenwasseraustritt durch Leckage an einer Sammelleitung,

Georgsdorf (http://www.gegengasbohren.de/2014/06/30/bergamt-graeben-und-waelle-sichernlagerstaettenwasser-in-georgdorf/)

Juli 2014

Zweimaliger Austritt von Lagerstättenwasser und Erdöl, Scheerhorn

(http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=564&article_id

=126663&_psmand=4)

Diese Übersicht zeigt in aller Deutlichkeit, dass das Argument der Förderunternehmen von der sicheren und umweltfreundlichen Variante „Lagerstättenwasserentsorgung durch Versenkung“ schon vor dem Hintergrund der bisher gemachten Erfahrungen unzutreffend ist.

Aus Erfahrungen in anderen Bereichen ergeben sich weitere potenzielle Risiken

Um aus unserer Sicht mögliche zukünftige Risiken durch das Verpressen von Lagerstättenwasser einschätzen zu können lohnt sich ein Blick auf die geologischen Verhältnisse vor Ort. Anders als man annehmen mag, stellen diese sich nämlich nicht als ein in sich durchgängiges Schichtensystem dar, sondern sind geprägt durch Verwerfungen, Brüche und Scherungen, die durch tektonische Bewegungen in unterschiedlichen Zeitabschnitten entstanden sind. Die nachfolgende Grafik (aus: BEG und LBEG „Untersuchungsergebnisse zum Erdbeben bei Völkersen am 22.11.2012“, Juni 2013) verdeutlicht diesen Sachverhalt:

 

Allertal Lineament

Abbildung 1: Geologischer Nord-Süd-Schnitt (Ausschnitt) im Bereich Verden bis in eine Tiefe von etwa 5 km, an der Basis die Gesteine des Rotliegend (ro) in dem sich Erdgaslagerstätten befinden, darüber folgen das Salz des Zechstein (z) sowie das mesozoische Deckgebirge von Trias (su, sm, m, k), Jura und Kreide sowie Tertiär und Quartär (Geotektonischer Atlas von Nordwestdeutschland, Baldschuhn et al., 2001).

Wir befürchten, dass durch die Verpressung von Lagerstättenwasser – und ggf. auch durch das beim Fracking anfallende „Flowback“, das sind Restflüssigkeiten aus Frackvorgängen - in den so gestalteten Untergrund die Erdbebengefahr in unserer Region steigen wird.

Erdbeben entstehen durch einen plötzlichen Abbau von Spannungen (stress drop) entlang von Bruchflächen in der Erdkruste, die sich durch die relative Bewegung der Gesteinsschichten auf beiden Seiten eines Bruches aufgebaut haben.Als induzierte Seismizität wird dabei vereinfacht die Erdbebentätigkeit, welche durch menschliche Eingriffe in den Untergrund verursacht wird, bezeichnet. Hier umfasst die induzierte Seismizität auch die getriggerte Seismizität. Die induzierte Seismizität umfasst die seismischen Ereignisse innerhalb der Lagerstätte. Getriggerte Seismizitat beschreibt seismische Ereignisse außerhalb der Lagerstätte auf existierende Verwerfungen (aus: „Umweltauswirkung von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas“, Umweltbundesamt Juni 2014).

Darauf, dass das Verpressen von Lagerstättenwasser – und Flowback – Grund für eine derartige induzierte Seismizität sein kann, deuten insbesondere neuere Studien aus den Vereinigten Staaten und Italien hin.

So berichtet z.B. das Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ im August 2014:

„Die Seismologin Katie Keranen von der Cornell University in Ithaca bei New York beschäftigt sich seit Jahren mit einem Entsorgungsgebiet für Fracking-Abwasser:

Im Bundesstaat Oklahoma pumpen Arbeiter seit 2004 große Mengen Abwasser aus der Öl- und Gasförderung in die Tiefe. Rund fünf Jahre später begann eine Serie schwacher Erdbeben in Oklahoma, die zunächst keine Gefahr darstellten. Wöchentlich 15 gerade spürbare Erdstöße registrierten die Geophysiker, 40-mal mehr als in vorangegangenen Jahrzehnten. Aber einen Zusammenhang zum versenkten Abwasser schlossen die verantwortlichen Unternehmen aus – immerhin lägen Dutzende Kilometer zwischen ihren Bohrlöchern und den Epizentren. Das gelte auch für das ungewöhnlich starke Beben der Magnitude 5,7 von 2011, das eine kleine Ortschaft verwüstete.

Katie Keranen und ihre Kollegen wunderten sich: Der mittlere Westen der USA galt zuvor als seismisch stabil. Die Geophysiker werteten die seismologischen Messdaten aus – und simulierten die Wirkung des verpressten Wassers am Computer. Schließlich wurden sie fündig: Das Abwasser und die Erdbeben stehen in einem Zusammenhang, berichtete sie im Magazin "Science". Demnach existieren unter Oklahoma natürliche Verwerfungen im Gestein, an denen sich das eingepresste Wasser entlangbewegen kann. Weil es dabei vorhandenes Tiefenwasser verdrängt,

steigt der Druck an der Störung, die ohnehin unter Spannung steht. Schließlich geben die Gesteinsschichten auf beiden Seiten der Verwerfung schrittweise nach – und die Erde bebt. Zwar sind die meisten dieser Erschütterungen nur schwach. Aber Keranen berechnete, dass in Oklahoma heute schon fast die Hälfte aller Erdbeben kleiner als Magnitude 4,5 durch Zutun des Menschen zu Stande kommt – mit wachsender Tendenz“ ( www.spektrum.de/newas/mehr-erdbeben-durch-den-menschen/1305359 ).

Während mithin in Oklahoma alles dafür spricht, dass das Verpressen des bei der Förderung anfallenden Wassers Grund für die Erdbeben ist, ist in Italien der Fall etwas komplizierter. Viele erinnern sich noch an das verheerende Erdbeben in der Emilia-Romagna (Norditalien) am 20.Mai 2012. Dieses hatte Magnituden vom 5,8 und 5,9 und verursachte den Tod von 27 Menschen. Einige kunsthistorisch wertvolle Gebäude, aber auch viele der Geschäftsgebäude und Wohnungen der in der Region lebenden Menschen wurden schwer beschädigt. Ein internationales Expertenteam hat nun untersucht, ob das Beben mit der dortigen, seit April 2011 kontinuierlich gesteigerten Erdölförderung zusammenhängen könnte. Ein Grund war dabei, dass seit diesem Zeitpunkt die seismischen Aktivitäten zunahmen. Und so wollten die Geologen auch einen Zusammenhang mit dem schweren Erdbeben vom 20.Mai 2012 nicht ausschließen:

„Ob nun durch Verpressen oder Fördern: Damit solche von Menschen ausgelösten Erdbeben entstehen, müssen die tektonischen Spannungen so hoch sein, dass vergleichsweise kleine Änderungen im Stressfeld das System kippen lassen“, heißt es hierzu in einem Beitrag der Sendung „Deutschlandfunk – Forschung aktuell“ vom 24.04.2014 - http://www.deutschlandfunk.de/erdbeben-hatte-die-erdoelfoerderung-etwas-mit-den-erdbeben.676.de.html?dram:article_id=283614   .

Und Shemin Ge von der University of Colorado in Boulder kommt vor dem Hintergrund der Beben in den Vereinigten Staaten und Italien zu dem Schluss: “Ob sich ein Beben ereignet und wie stark es ist, hängt dabei von vielen Faktoren ab. Einmal vom Stressfeld in dem betroffenen Gebiet, aber eben auch davon, wie die geologischen Störungszonen darin orientiert sind und wie schnell oder langsam Flüssigkeiten eingepresst oder herausgeholt werden. Um ein mögliches Risiko abzuschätzen, müssen in der Umgebung spezifische Untersuchungen durchgeführt werden. Und zwar nicht nur direkt an der Bohrung, sondern im Umkreis von einigen Kilometern.“ ( www.deutschlandfunk.de/erdbeben …)

Dem können wir uns nur anschließen. Allerdings mit der Maßgabe, dass die Unternehmen derartige Untersuchungen zwar zu finanzieren haben, dass sie aber gleichwohl nicht unter deren Regie durchgeführt werden dürfen.

Eine ganz andere Problemstellung ergibt sich bei der Frage, ob ein seit längerem stillgelegtes Bohrloch überhaupt dafür geeignet ist, große Mengen giftiges Lagerstättenwasser in den Untergrund zu verpressen.

Auf eine Anfrage von FDP-Abgeordneten wies der niedersächsische Minister für Wirtschaft Olaf Lies am 24.10.2014 darauf hin, dass „unabhängig von der Tiefe der Versenkhorizonte … das Einbringen von Lagerstättenwasser in unterirdische Gesteinsschichten mit Risiken verbunden“ ist, zu denen u.a. auch „der mögliche Aufstieg des eingebrachten Lagerstättenwassers entlang von künstlichen (Tiefbohrung) Wegsamkeiten„ zählt. Vor diesem Hintergrund fordert der Minister, dass „die Integrität der Versenkbohrung nachzuweisen“ ist.

Man kann nur hoffen, dass diese Aufforderung auch bei dem dem Minister unterstellten Landesbergamt angekommen ist. Zeigen doch die bisher gemachten Erfahrungen, dass die Behauptung der Unternehmen, die für das Versenken genutzten stillgelegten Bohrlöcher seien absolut sicher, schlicht nicht zutrifft. Selbst die RWE Dea musste, nachdem wir hierüber durch einen anonymen Hinweis Kenntnis erlangt hatten, bereits eingestehen , dass es bei der Bohrung Wittorf Z1 zu einer, wie es das Unternehmen formuliert, „Kommunikation zwischen Ringraum und Steigrohr“ gekommen war. Das heißt im Klartext nichts anderes, als dass die Zementierung innerhalb der Bohrung undicht geworden war. Das ist auch nicht verwunderlich. Wie bei jedem Bauwerk muss auch hier davon ausgegangen werden, dass der Zement, aber auch das Rohr selbst zumindest mit der Zeit schadhaft werden.

Bestätigt wird dieses auch durch eine Studie eines Forscherteams um Thomas Darrah von der Duke University (North Carolina), die festgestellt haben, dass Kontaminierungen verschiedenster Art in der Umgebung von Erdgasförderstellen „von Problemen mit der Unversehrtheit der Bohrlöcher stammen“.

Diese Probleme ergeben sich nach Auffassung des Forscherteams konkret durch

  • fehlerhafte oder ungeeignete Stahlrohre, die ein Austreten von Gas und Wasser im Bohrloch verhindern sollen und
  • Fehler und Mängel in der Zementabdichtung des Ringraums oder Lücken zwischen der Verrohrung und dem Gestein.

( www.spiegel.de/wissenschaft/technik/fracking-gase-durch-unkonventionelle-gasförderung )

Dieses dürfte in erhöhtem Maße für die Aktivierung eines stillgelegten Bohrloches gelten. Dieses ist über Jahrzehnte enormen äußeren und inneren Einflüssen ausgesetzt gewesen, so u.a.

  • dem Druck der Gesteinformationen auf die Wandungen
  • den Auswirkungen der chemischen Eigenschaften der das Bohrloch umgebenden Schichten wie z.B. Salze und Laugen und nicht zuletzt
  • den mit zunehmender Tiefe ansteigenden Umgebungstemperaturen.

Das alles zeigt, dass die Forderung des Ministers, dass „die Integrität der Versenkbohrung nachzuweisen“ ist, mehr als berechtigt ist. Nur – der Nachweis darf nicht so aussehen, dass man schlicht die Behauptungen des Unternehmens übernimmt. Vielmehr dürfen auch zu dieser Frage nur unabhängig von Firmeninteressen erstellte unabhängige Untersuchungen zur Entscheidungsfindung herangezogen werden.

Schließlich drängt sich an dieser Stelle eine weitere Frage auf. Nach Angaben im zweiten Gutachten des Umweltbundesamtes 2014 (dort Seite 262) wurden bisher Erdgasförderstellen, in denen bereits gefrackt wurde, nicht für Versenkbohrungen genutzt. In Völkersen Nord Z3 wurde demgegenüber zumindest am 01.10.2006 (LBEG) ein Frackvorgang durchgeführt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Risiko, wenn giftiges Lagerstättenwasser in eine 5000 m tiefe, ausgeförderte und durch das Fracken geologisch veränderte Lagerstätte verklappt wird. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand vermag offenbar niemand mit Sicherheit vorauszusagen, welche chemischen bzw. physikalischen Reaktionen unter diesen Umständen zu erwarten sein werden. Nur eines ist sicher: Der Verpressvorgang ist unumkehrbar. Eine Rückholung des verpressten Lagerstättenwassers wäre nicht möglich.

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus? Unserer Auffassung nach ist es unverantwortlich, trotz der Erkenntnisse aus Oklahoma und Italien und trotz der vorliegenden begründeten Hinweise auf mögliche Undichtigkeiten der Bohrlöcher unbeirrt weiterhin Lagerstättenwasser in den Untergrund zu verpressen. Zumindest sind hier zunächst einmal umfangreiche Forschungen zu den kurz-, mittel- und langfristigen Folgen aufzunehmen. Dieses sieht auch Professor Ernst Hünges, Leiter Reservoirtechnologien am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam, so. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 24.04.2014 erklärte er mit Blick auf die Ereignisse aus Oklahoma und Italien unmissverständlich. „Ich sehe eine glasklare Schlussfolgerung, dass wir da einen gigantischen Forschungsbedarf haben, wenn wir die Nutzung des Untergrundes weiter haben wollen.“ ( www.deutschlandfunk.de/erdbeben ….)

 

Weitere Auswirkungen für Mensch und Umwelt dürfen nicht aus dem Blickfeld geraten

 

Ging es bis hierher um die unmittelbaren Folgen und Risiken der Verpressung von Lagerstättenwasser, so sind auch die nicht so im Fokus stehenden mittelbaren Folgen bei der Gesamtbeurteilung zu beachten.

Da wäre zunächst einmal das zunehmende Verkehrsaufkommen durch die aus ganz Niedersachsen täglich die Verpressstelle anfahrenden Tanklastwagen. Diese stellen zum einen ein in mehrfacher Hinsicht (Verkehrsunfälle, Transportrisiken etc.) erhöhtes Gefährdungspotenzial für die in Völkersen und Umgebung wohnenden Menschen dar. Sie werden aber auch zu zusätzlichen Kosten für die Unterhaltung der betroffenen Straßen und Wege führen und die ländliche Struktur der Ortschaften nachhaltig verändern. Dazu kommt, dass nach Angaben von vor Ort tätigen Maklern in Folge der Vorkommnisse aus der Vergangenheit - insbes. spielt hier die Erdbebengefahr eine Rolle – sich schon jetzt Unsicherheiten auf dem Immobilienmarkt für Wohn- aber auch für Gewerbegrundstücke bemerkbar machen. Potenzielle Interessenten verhalten sich beim Kauf derartiger Immobilien offenbar zunehmend zurückhaltender und ziehen im Zweifel erdgasförderfreie Gebiete vor. Eine Erfahrung, die übrigens in den Niederlanden im Raum Groningen schon seit Jahren gemacht wird und bereits dazu geführt hat, dass dort Objekte, wenn überhaupt, dann nur weit unter Preis verkauft werden konnten. Auch in Völkersen steht zu befürchten, dass die Einrichtung einer für ganz Niedersachsen genutzten Verpressbohrstelle diese Tendenz weiter verstärken wird.

Aber auch für die natürliche Umwelt sind unserer Auffassung nach durch die Einrichtung einer Verpressstelle bei Nord Z3 Nachteile zu befürchten. Nach Berichten von Förstern und Jägern wird heute schon in Folge des Betriebes an den Förderstellen, insbesondere wenn dort Bautätigkeiten o.ä. Aktivitäten anstehen, das ansässige Wild aufgescheucht und vertrieben. Und so entwickelt sich die Umgebung von Völkersen immer mehr von einem Natur- zu einem Industriestandort. Ein Negativtrend, der durch die Einrichtung einer täglich vielfach angefahrenen Verpressstelle mit Sicherheit noch verstärkt wird.

Vor allem aber befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Nord Z3 das Naturschutzgebiet Waller Moor. Das Waller Moor ist 25 Hektar groß und steht seit 1985 unter Naturschutz. Es kommen dort z. B. Pfeifengras, Glockenheide, Moorlilie, Lungenenzian, Rosmarinheide und Orchideen vor. Darüber hinaus dient es als Lebensraum für verschiedene Amphibien, Kreuzkröte, Zauneidechse, Uhu, Reiher, Seeadler und weitere seltene Vogelarten. Es ist zu befürchten, dass die Inbetriebnahme der geplanten Versenkbohrung die Belange des Naturschutzgebietes Waller Moor bedroht und den Bestand der seltenen Pflanzen und Tiere auf Dauer gefährdet. Zumindest bedürfen auch diese Fragen einer tiefergehenden Folgenabschätzung.

Ist die Versenkung des Lagerstättenwassers tatsächlich „alternativlos“?

In einem Schreiben der RWE Dea vom 16.01.2014 an die Sprecherin der BI Langwedel behauptet der Konzern: „Die unabhängige gutachtliche Bewertung … hat eindeutig ergeben, dass es die nachhaltigste und umweltverträglichste Option ist, das Lagerstättenwasser dorthin zurückzuführen, wo es herkommt – nämlich in ausgeförderte Gaslagerstätten in den sehr tiefen Gesteinsschichten des „Rotliegenden“ („Havelsandstein“ in rund 5.000 Meter Tiefe).“ Und weiter: „Im Rahmen der Studie wurde auch die in der Öffentlichkeit oft geforderte dezentrale Aufbereitung des Lagerstättenwassers direkt an den Förderplätzen des Erdgases überprüft. Diese Option ist gegenüber einer zentralen Aufbereitung und Rückführung eindeutig ökologisch nachteiliger. … RWE Dea wird diese Option daher nicht weiter in Betracht ziehen.“

Diese Aussage lässt keine Zweifel zu. RWE Dea wird mit aller Macht versuchen, das Verpressen des Lagerstättenwassers durchzusetzen. Dabei bezieht man sich ausschließlich auf die Eigenstudie zum „Umgang mit Lagerstättenwasser aus der Erdgasförderung der RWE Dea AG in Niedersachsen“. Diese Studie ist in ihrer vollständigen Fassung aber weder der Öffentlichkeit noch den Behörden bis hinauf zu den Ministerien bekannt, so dass sie unserer Auffassung nach bei der Bewertung der angestrebten Methode auch keine Rolle spielen darf. Vielmehr sind durch eine ausschließlich an wissenschaftliche Kriterien orientierte Untersuchung unter Einbeziehung unabhängiger Wissenschaftler alle Alternativen auf den Prüfstand zu stellen.

Es gibt Alternativen wie z.B. die vollständige Aufbereitung unmittelbar an den Bohrstellen. Wenn diese von den Erdgaskonzernen aus Kostengründen „nicht weiter in Betracht“ gezogen werden sollen, so wird man sie dazu bringen müssen, es doch zu tun. Ein erster Schritt wäre hierbei, das Verpressen von Lagerstättenwasser zu verhindern und so die Unternehmen zu zwingen, in die kurzfristige Entwicklung von Alternativen zu investieren. Wir sind überzeugt davon, dass dann derartige, für Mensch und Umwelt akzeptable, letztlich auch für die Unternehmen ökonomisch vertretbare Alternativen sehr schnell zur Anwendung kommen werden.

 

Schlussfolgerungen

Nach alledem ergibt sich, dass auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes das Verpressen von Lagerstättenwasser unter Beachtung der sich aus §§ 55 Abs.1 Nr. 9 i.V.m. 1 Nr.3 BBergG ergebenden Voraussetzungen nicht genehmigt werden darf, da

  1. eine Vielzahl von Störfällen beweist, dass menschliches und technisches Versagen den Umgang mit Lagerstättenwasser zu einem Risiko für Mensch und Umwelt machen,
  2. es begründete Hinweise dafür gibt, dass mit dem Verpressen von Lagerstättenwasser die Erdbebengefahr steigt,
  3. wissenschaftliche Studien dafür sprechen, dass es in Folge von Undichtigkeiten der genutzten Bohrlöcher zu Kontaminierungen der Bohrlochumgebung einschließlich des Grundwassers kommen kann,
  4. erhebliche negative Auswirkungen auf die Natur, die Umwelt und die Lebensqualität der Menschen vor Ort, aber auch auf die verkehrliche Infrastruktur und die wirtschaftlichen Belange der Region zu erwarten sein werden und schließlich
  5. alternative und unter allen Aspekten akzeptierbare Möglichkeiten der Lagerstättenwasserentsorgung schon heute unstreitig existieren und bei entsprechendem Forschungseinsatz auch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zur Anwendung kommen könnten.

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Erstellt von der Arbeitsgruppe „Lagerstättenwasser-Verpressung“ der Bürgerinitiativen BI „No Fracking“ im Erdgasfeld Völkersen und BI Flecken Langwedel gegen Gasbohren unter Mitarbeit von Rainer Böttcher, Dittmar Hasselhoff, Rainer Labrenz, Gerd Landzettel, Wolfgang Marschhausen, Andreas Noltemeyer, Eleonore Maria Steyer, Inge Vogel und Thomas Vogel