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„Lagerstättenwasser“ – Was ist da denn drin?  

Etwa zur gleichen Zeit drängte sich dann aber eine andere Problematik immer mehr in den Vordergrund. Ende 2011 war nämlich bekannt geworden, dass am 22.08.2011 auf dem Betriebsgelände des Gasförderplatzes Völkersen Nord Z1 eine Leckage an der Armatur einer Lagerstättenwasserleitung festgestellt worden war und infolge davon dramatisch erhöhte Benzolwerte auf dem entsprechenden Betriebsgelände festgestellt wurden. Daraufhin gründete sich in Völkersen die Bürgerinitiative „No Fracking“, der ich mich Mitte Januar 2012 anschloss. Anlass hierfür war auch,
dass sich zwischenzeitlich, nämlich Ende 2011/Anfang 2012, die Hinweise immer mehr verdichteten, dass auch an anderen Stellen des ca. 22 km langen Leitungsnetzes zur Beförderung des Lagerstättenwassers Benzol ins Erdreich gelangt war. Hierbei bestand die später dann bestätigte Vermutung, dass das Benzol durch die verwendeten und im Erdreich verlegten Kunststoffrohre (PE 100) durch Diffusion ins Erdreich gelangt war und den Boden verseucht hatte. Dieses betraf eine Strecke von über 8,5 km. Das gesamte Leitungssystem wurde daraufhin stillgelegt, sämtliche Rohre
im Laufe des Jahres 2012 entfernt und entsorgt. Außerdem wurde ab Mitte 2012 die Sanierung des umgebenden Erdreiches in Angriff genommen, wobei ein endgültiger Sanierungserfolg auch heute noch nicht abzusehen ist.  Für die BI war damit die Arbeit aber nicht beendet. Wir beschäftigten uns z.B. mit den sich aus der Verseuchung des Bodens ergebenden Haftungsfragen ebenso wie damit, was denn nun im Lagerstättenwasser eigentlich enthalten ist und welche Konsequenzen für dessen Behandlung sich daraus ergeben. Hierbei ergaben sich völlig neue Fragestellungen z.B. daraus, dass das Lagerstättenwasser seit über 10 Jahren wieder ins Erdreich verpresst wurde und zwar im konkreten Fall in unmittelbarer Nähe zu einem Trinkwasserbrunnen im Wasserschutzgebiet in der Nähe von Verden (Aller). Außerdem wurde nun erstmals sozusagen behördlicherseits festgestellt, dass ein Erdbeben vom 22.11.2012 – und wohl auch schon vorherige Erdstöße - im Raum Völkersen auf die Erdgasförderung zurückzuführen ist.

Eine Tatsache, die von der RWE-Dea bis dato energisch bestritten worden war. Auch unter diesem Gesichtspunkt, nämlich der Erkenntnis, dass die Erdgasförderung zu erheblichen Veränderungen im Erdreich führt, bekam die Frage, ob es zu verantworten ist, in genau diese Erdschichten giftiges Lagerstättenwasser zu verpressen, ein besonderes Gewicht.  An erster Stelle stand zu diesem Zeitpunkt aber die Frage, ob es eigentlich zutraf, dass – wie die RWE- Dea uns gegenüber immer wieder behauptet hatte - die im Lagerstättenwasser enthaltenen Giftstoffe unmittelbar an der Bohrstelle separiert würden, also in dem durch die Rohre geleiteten und dann in Scharnhorst verpressten Wasser nicht mehr enthalten seien. Dieses galt vor allem für das hochgiftige und unstreitig im Lagerstättenwasser enthaltene Quecksilber. Ende 2012/Anfang 2013 ist die BI dann in
Besitz eines Stückes des in Völkersen Nord aus dem Erdreich entfernten Rohres gelangt und hat dieses durch das Chemische Laboratorium Dr. Stegemann aus Georgsmarienhütte untersuchen lassen.

Ergebnis: Das Rohr, durch das nach Angaben der RWE-Dea nur Lagerstättenwasser ohne Quecksilber geleitet worden war, enthielt in der Wandung einen Quecksilberanteil von 31,8 mg/kg und im Außenbereich der Wandung sogar von 77,6 mg/kg. Die RWE-Dea, damit konfrontiert, bezweifelte am 23.01.2013 schriftlich ohne nähere Ausführungen dieses Ergebnis, modifizierte ihre bisherige Behauptung aber dahingehend, dass „Quecksilber in geringen Konzentrationen innerhalb der Wandung der Leitungen festgestellt worden“ sei, dass aber im Boden und im Grundwasser in der Umgebung der PE-Leitungen „in keiner Probe Quecksilber nachgewiesen“ worden sei.  Was von diesen Angaben der RWE-Dea zu halten ist, haben wir dann durch ein Schreiben des LBEG vom 21.03.2013, dem wir ebenfalls unsere Ergebnisse mitgeteilt hatten, erfahren. Danach wurden bei angeordneten Untersuchungen in der Innenwand des Rohres „Quecksilber-Konzentrationen von 19,2 – 169 mg/kg TM (Leitung 951) bis hin zu 341 - 1169 mg/kg TM (Leitung 955) gemessen“, mithin weitaus höhere Werte als in dem von uns genutzten Rohrstück (31,8 bzw. 77,6 mg/kg TM) und schon gar nicht in „geringen Konzentrationen“. Ebenso wurden zumindest in drei Bodenproben Konzentrationen von 0,11 bis 0,16 mg/kg TM festgestellt. Zugleich hat das LBEG mitgeteilt, dass eine Analyse von unterschiedlichen Lagerstättenwassern nach Aufbereitung Quecksilbergehalte von 55 µg/l (Völkersen Z2), 2,2 µg/l (Völkersen Nord Z4) und 19 µg/l (Völkersen Nord Z1) ergeben habe.

Auch wenn sich die Konzentrationen temporär verändern können, steht – auch das durch das LBEG bestätigt – fest, dass das Lagerstättenwasser mit entsprechenden Quecksilberanteilen verpresst wurde und wird. Dieses wird auch durch eine von der RWE-DEA selbst in Auftrag gegebene Untersuchung der „IGB Ingenieurgesellschaft mbH“ aus Januar 2011 bestätigt. Danach wurden in dem durch die PE-Leitungen in Völkersen durchgeleiteten und dann in Scharnhorst verpressten Lagerstättenwasser Quecksilberkonzentrationen bis zu 4500 µg/l und als Durchschnittswert 270 µg/l gemessen.

Das alles vor dem Hintergrund, dass bereits in einem im Februar 2011 – also fast 1 Jahr vor den o.g. bekannt gewordenen Vorfällen – erstellten Gutachten des TÜV Nord zu den PE 100–Leitungen in Völkersen festgestellt wurde, dass es „Hinweise auf die Permeation/Diffusion von BTEX und Quecksilber durch die PE-Feldleitungen in Teilbereichen der Rohrleitungsanlage“ gibt. Weiter heißt es in dem Gutachten: „Vor diesem Hintergrund ist die Besorgnis schädlicher Bodenverunreinigungen entsprechend § 9 BBodSchV gegeben. Die uneingeschränkte Eignung der PE-Rohrleitungen für den Transport von Lagerstättenwasser kann daher nicht ohne weiteres bestätigt werden.“ Gleichwohl leitete das Unternehmen noch über den Zeitraum von fast einem Jahr ihr giftiges Lagerstättenwasser durch die ungeeigneten Rohre.  

Die Rohre sind zwischenzeitlich aus dem Verkehr gezogen. Doch nach wie vor verpresst die RWE-Dea – wie andere Förderfirmen auch – das Lagerstättenwasser ungereinigt in den Boden. Zwar stellte die RWE - DEA das Verpressen im Trinkwasserschutzgebiet Scharnhorst im Juli 2012 ein, nicht aber ohne darauf hinzuweisen, dass die dafür erteilte Genehmigung nicht zurückgegeben werde, da auch diese Verpressstelle möglicherweise, z.B. bei auftretenden Engpässen, wieder genutzt werden müsse. Gegenwärtig transportiert das Unternehmen das Lagerstättenwasser aus dem Feld Völkersen mit Tanklastwagen kilometerweit durch die Gegend zu anderen Verpressstellen, so z.B. ins ca. 30 km entfernte Wittorf bei Rotenburg oder – wie wir erst vor kurzem durch Zufall erfahren haben - ins ca. 90 km entfernte Dethlingen zwischen Soltau und Uelzen. Der mittelfristige Plan sieht allerdings so aus, dass eine ausgeförderte Bohrstelle in Völkersen (Nord Z3) dafür genutzt werden soll, die gesamte in Niedersachsen anfallende Menge zu verpressen. Wohl zur Untermauerung dieses Plans gab die RWE-Dea eine Studie zum nachhaltigen Umgang mit Lagerstättenwasser in Auftrag.

Diese liegt seit Herbst 2013 vor. Und – wen wundert es noch: Der Öffentlichkeit wurde als Ergebnis mitgeteilt, dass die Studie zu dem Schluss gekommen sei, dass das Verpressen des Lagerstättenwassers „dahin, wo es herkommt“ – also in ausgeförderte Lagerstätten - die beste Entsorgungsmethode sei. Aber: Die Veröffentlichung der vollständigen Studie oder auch nur die Herausgabe eines Exemplars an die Bürgerinitiative und selbst an die Gemeinde Langwedel wurde und wird nach wie vor von dem Unternehmen unter Hinweis darauf, dass diese Betriebsgeheimnisse enthalte, verweigert.

Das ist nur schwer nachvollziehbar. Welcher Art „Betriebsgeheimnisse“ sollen das sein? Ökonomische Daten oder Fakten können wohl kaum gemeint sein. Dann liegt aber die Vermutung nahe, dass die Studie über das LAWA selbst oder über dessen Behandlung und Entsorgung Tatsachen enthält, die besser nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Oder man möchte die in der Studie von den Autoren zu Grunde gelegte Arbeitsweisen bzw. Methoden nicht zur öffentlichen Diskussion stellen. Wie auch immer. Veröffentlicht wurde nur eine sog. „Kurzfassung“. Diese ist jedoch völlig unzureichend. Die einzigen verwertbaren Erkenntnisse ergeben sich daraus, dass der Kurzfassung zu entnehmen ist, dass die Studie ausschließlich von privatwirtschaftlich orientierten Fachbüros, die teilweise schon häufiger oder länger für das Unternehmen gearbeitet haben, erstellt worden ist. Unabhängige Stellen, wie z.B. universitäre Einrichtungen, waren nicht beteiligt.

Dann ergibt sich aus der Studie noch als verwertbare Tatsache, dass im Bereich der Förderbetriebe Niedersachsen jährlich ca. 90.000 m³ LAWA anfallen und diese Menge in den kommenden beiden Jahren auf 130.000 m³ pro Jahr ansteigen wird. Außerdem kann ihr entnommen werden, welche Stoffe das in Niedersachsen geförderte LAWA konkret enthält. So fällt an Salz jährlich 9.600 t an, an Schwermetallen (u.a. Arsen, Blei, Quecksilber) 1,25 t/Jahr, an einkernigen Kohlenwasserstoffen, also u.a. Benzol, 52,2 t/Jahr und an radioaktiven Stoffen (Radium 226 + 228, Blei 210 u. Polonium 210) 4360 MegaBecquerel/Jahr.

Hierbei ist es allerdings so, dass insbesondere die Schwermetalle und radioaktiven Stoffe nicht namentlich benannt werden, sondern lediglich mit ihren chemischen Bezeichnungen, die dann von Laien erst mühsam übersetzt werden müssen. Außerdem werden die einzelnen Metalle etc. mengenmäßig nicht differenziert. Das wird seinen Grund haben, könnte doch aus den Angaben sonst beispielsweise noch genauer errechnet werden, wie viel Quecksilber über Jahre hinweg im Wasserschutzgebiet bei Verden verpresst worden ist.  Im Ganzen gesehen, ist die Kurzfassung als Grundlage für eine Auseinandersetzung über die Entsorgungsproblematik schlicht wertlos:  Die in der Kurzfassung behaupteten Ergebnisse werden an keiner Stelle nachvollziehbar belegt bzw. auch nur ansatzweise durch Zahlen, Daten, Fakten untermauert.

Sie können daher überhaupt nicht überprüft werden. Drum herum wird dem Ganzen ein scheinwissenschaftlicher Anstrich gegeben, indem eine sog. „Bewertungstabelle“ der einzelnen Kriterien zu Grunde gelegt wird, ohne dass auch nur ansatzweise die Berechtigung der zu Grunde gelegten Kriterien bzw. die Vernachlässigung anderer Kriterien und das angewandte Punktesystem auf das konkrete Kriterium erläutert wird. Diese werden dann noch einer „Gewichtung“ unterzogen. Aber – wie soll es auch anders sein – eine spezifizierte Begründung für die vorgenommene Gewichtung ergibt sich zumindest aus der Kurzfassung nicht.  Schließlich wird, soweit überhaupt ersichtlich, ausschließlich von der gegenwärtigen Situation (nicht einmal als "Stand der Technik" bezeichnet) ausgegangen. Mögliche Alternativen bzw. technische Weiterentwicklungen werden in keiner Weise in die Überlegungen einbezogen - was die dezentrale Aufbereitung angeht, heißt es z.B. lediglich, dass für diese "aufwändige spezifische Kleinanlagen mit geringer Auslastung geplant" werden müssten (letztlich ein ökonomisches, kein fachwissenschaftliches Argument).  

Eine Option allerdings schien selbst den Autoren der Studie zu gewagt. Die „Einleitung des Lagerstättenwassers ohne weitere Vorbehandlung in die Nordsee über eine Pipeline“ haben sie zwar benannt, aber ausdrücklich nicht untersucht.  Dass das alles gleichwohl nicht zufrieden stellt, dürfte auf der Hand liegen. Nachfolgend sind die bei dem von der RWE-Dea favorisierten Verfahren des Verpressens von LAWA „dahin wo es herkommt“ zu hinterfragenden Risiken einmal aufgelistet.

Hierbei geht es um folgende Verfahrensabschnitte und Fragestellungen: