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Bürgerschaftliches Engagement statt Ausreden


Wenn es darum geht, dass uns wieder einmal jemand erklären will, warum er zwar auch meint, dass es so mit der Erdgasförderung nicht weitergehen kann, aber er sich trotzdem nicht engagiert, hören wir immer wieder die gleichen Ausreden: Man kann sowieso nichts machen! - Das bringt doch nichts! – Die machen doch sowieso, was sie wollen! …
Stimmt nicht! Man kann was machen! Man kann was erreichen! Man muss nur wollen! Das haben die hiesigen Bürgerinitiativen längst bewiesen, wie die nachfolgende Aufzählung zeigt:


• Nachdem Ende 2012/Anfang 2013 in Völkersen die erste Bürgerinitiative gegründet worden war, wurde sie schon bald von der Politik, von den Behörden und selbst von dem Förderunternehmen ernst genommen. Dadurch, dass sie die damals aufgetretenen Probleme mit dem giftigen Lagerstättenwasser in die Öffentlichkeit getragen hatte, konnten diese erstmals nicht mehr quasi intern zwischen Behörden und Förderunternehmen „erledigt“ werden. Vielmehr trug die von der Initiative getragene öffentliche Diskussion wesentlich dazu bei, dass die ungeeigneten Lagerstättenwasserleitungen in Völkersen aus dem Verkehr gezogen wurden, und dass das jahrelang unbemerkt von der Öffentlichkeit erfolgte Verpressen der giftigen Brühe im Wasserschutzgebiet bei Scharnhorst eingestellt wurde. Ebenso mussten Behörden und Unternehmen erstmals nach dem Erdbeben vom 22.11.2012 öffentlich eingestehen, dass dieses auf die Erdgasförderung zurück zu führen war. Diese ersten Erfolge führten schnell zu weiteren konkreten Forderungen.


• Das Eingeständnis, dass die Erdgasförderung Erdbeben auslöst, half denjenigen, die an ihren Häusern Schäden festgestellt hatten, wenig. Entscheidend war vielmehr, ob diese Schäden von dem verursachenden Unternehmen auch ersetzt würden. Auch in dieser Frage hat letztlich die Arbeit der Initiativen Früchte getragen. Nachdem das Unternehmen zunächst noch zu leugnen versuchte, dass das Erdbeben vom 22.11.2012 überhaupt geeignet war, Schäden an Gebäuden hervorzurufen, gab es dann doch zu den angemeldeten Schadensfällen Gutachten in Auftrag. Diese kamen jedoch in der Mehrzahl der Fälle zu unbefriedigenden Ergebnissen. Vor allem auch auf Drängen der Initiativen hin wurde dann aber vom Land Niedersachsen zum 1. August 2014 eine Schlichtungsstelle für Erdbebenschäden eingerichtet, an die sich Geschädigte seitdem ohne Kostenrisiko wenden können. Die ersten Verfahren sind abgeschlossen und alle, die diese Hilfe in Anspruch genommen haben, haben einen nicht unerheblichen Teil des geltend gemachten Schadens ersetzt bekommen.


• Eine ganz andere Problematik betraf die Frage, wie und wann die Öffentlichkeit eigentlich darüber zu informieren war, dass ihre Wohnumgebung von der Erdgasförderung betroffen sein könnte. Dieses Problem tauchte bei uns erstmals in Intschede auf, als dort durch Zufall bekannt wurde, dass die RWE Dea im Jahre 2013 vor Ort Grundstücke zur Aufstellung von Bohrtürmen etc. suchte. Durch hartnäckiges Nachfragen
durch die inzwischen in Intschede gegründete Bürgerinitiative erfuhren die Einwohner dann, dass für den Bereich dem Unternehmen eine sogenannte Aufsuchungserlaubnis erteilt worden war, die dazu berechtigte, im Erlaubnisfeld das Vorhandensein von Gasvorkommen zu untersuchen. Allerdings war diese Erlaubnis vom Landesbergamt erteilt worden, ohne die betroffene Gemeinde überhaupt zu informieren. Gleiches galt für den Flecken Langwedel, auf dessen Gemeindegebiet das fragliche Aufsuchungsgebiet im Wesentlichen liegt. Diesen unhaltbaren Zustand haben wir zum Anlass genommen, unter Einschaltung des Gemeinderates Langwedel beim LBEG zu beantragen, zukünftig schon bei der Erteilung derartiger Erlaubnisse die Gemeinden zu beteiligen. Da in dieser Frage die Gesetzeslage nicht eindeutig ist, schaltete die Behörde unmittelbar den ihr vorgesetzten Wirtschaftsminister ein, der auf unsere Intervention hin dann entschied, dass in Niedersachsen die betroffenen Gemeinden zukünftig schon bei der Erteilung der Aufsuchungserlaubnis zu beteiligen seien. Dies ist, was die Frage der Transparenz der Erlaubnis- und Genehmigungsverfahren angeht, ein wichtiger Erfolg.


• In Intschede wurde aber noch etwas Wichtiges erreicht. Wie erwähnt, suchte das Förderunternehmen vor Ort nach Grundstücken, auf denen es den für die Erdgassuche erforderlichen Bohrturm und andere technische Anlagen hätte aufstellen können. Durch die Aufklärungsarbeit der Bürgerinitiative Intschede ist es jedoch gelungen, potenzielle Verpächter davon zu überzeugen, nicht an den Konzern zu verpachten. Und so steht bis heute kein Bohrturm in der Ortschaft Intschede.


• Dass Beharrlichkeit und gemeinsames Handeln auch gegenüber einem Weltkonzern dazu führen kann, dass dieser seine Absichten nicht mehr hinter quasi verschlossenen Türen durchsetzen kann, zeigt ein weiterer Fall. Mitte 2013 hatte die RWE Dea beantragt, dass Fördervolumen auf dem Förderplatz Völkersen Z3/Z11 von 500.000 m³ auf 1.000.000 m³/täglich zu erhöhen. Hierfür sieht das Gesetz vor, dass eine sogenannte UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) durchzuführen ist, in deren Verlauf die Pläne öffentlich auszulegen sind. Jeder kann dann sog. Einwendungen erheben, mit denen sich das Landesbergamt im Genehmigungsverfahren unter Einschaltung des beantragenden Unternehmens auseinandersetzen muss. Im konkreten Fall haben wir sofort umfassend über das Vorhaben informiert und bei der Erhebung von Einwendungen Hilfe geleistet. Die daraufhin zahlreich erhobenen Einwendungen haben dazu geführt, dass das Landesbergamt jetzt, nach über 1 ½ Jahren mitgeteilt hat, dass die Firma zur „Klärung bzw. Beantwortung der im Anhörungsverfahren aufgeworfenen Fragestellungen“ Zeit benötigt und daher das Ruhen des Verfahrens beantragt hat, ohne dass zur Zeit eine Wiederaufnahme des Verfahrens abzusehen sei. Das wäre vor ein paar Jahren sicherlich noch anders, d.h. für den Konzern reibungsloser gelaufen.


• Ein letztes Beispiel für erfolgreiche BI-Arbeit. Im Sommer 2014 war im Rahmen einer Studie festgestellt worden, dass in der Nähe einer Erdgasförderstelle im Landkreis Rotenburg deutlich erhöhte Krebsraten bei Männern (Leukämie) vorlagen. Diese Meldung löste bei uns große Verunsicherung und Sorge aus, inwiefern auch im Umfeld der Bohrstellen in Völkersen derartiges vorliegen könnte. Wiederum unterstützt durch den Gemeinderat haben wir deshalb gefordert, dass die entsprechenden Untersuchungen auf den gesamten Bereich des Fördergebietes Völkersen auszudehnen seien. Anfang des Jahres kam dann die Nachricht, dass die niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung es für notwendig hält, dass das zuständige Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) die Untersuchungen auf die Gemeinden Langwedel und Kirchlinteln ausdehnt. Auch wenn wir hoffen, dass das Ergebnis der Studie positiv ausfällt, so ist es doch unabdingbar, die zur Zeit noch bestehende Ungewissheit über einen möglichen Zusammenhang zwischen Erdgasförderung und der Häufigkeit von Krebserkrankungen zu untersuchen. Dass das jetzt geschieht, ist auch zu einem großen Teil sicherlich dem Engagement der Bürgerinitiativen zu verdanken.


Soweit die Aufzählung der wichtigsten Ergebnisse unser Arbeit. Es ließe sich noch mehr berichten. Zum Beispiel darüber, wie Behörden und Politik gelernt haben, uns ernst zu nehmen. Oder darüber, wie das Förderunternehmen anders als früher sich bemüht, die Öffentlichkeit über Vorhaben zu unterrichten. Aber auch darüber, dass immer noch viel zu tun ist. So gilt es, zu verhindern, dass zukünftig das Unternehmen das Problem der Lagerstättenwasserentsorgung einfach dadurch löst, dass es die giftige Brühe in Völkersen in eine ausgeförderte Bohrstelle verpresst und hierbei vielfältige Risiken beiseite schiebt. Aktuell geht es auch darum, mit unseren Möglichkeiten Einfluss auf die aktuelle, industriefreundliche Gesetzgebung des Bundes zum Fracking und zur Behandlung des Lagerstättenwassers zu nehmen. Und zukünftig wird es immer wieder darum gehen, aufmerksam zu bleiben, um so zu verhindern, dass Entscheidungen, die uns alle betreffen, hinter verschlossenen Türen getroffen werden. Um das zu erreichen, braucht es das Engagement möglichst vieler Bürger. Die Bürgerinitiativen bieten hierfür eine geeignete Plattform.
(Verf.: Gerd Landzettel)