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Was tun bei Erdbebenschäden?

Anders als bei den Senkungen und Hebungen kann allerdings heute auch in Deutschland – in den Niederlanden zum Beispiel ist das schon seit längerem anerkannt - wohl als unstreitig gelten, dass die Erdgasförderung Erdbeben auslösen kann und zukünftig auch noch Erdbeben auslösen wird. Der Streit darüber, ob und wie die dabei entstehenden Gebäudeschäden auszugleichen sind, dreht sich dann inzwischen auch um eine ganz andere Frage. Nämlich darum, ob diese Erdbeben geeignet sind, derartige Schäden zu verursachen und wer dieses zu beweisen hat.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkretes Erdbeben überhaupt geeignet ist, Gebäudeschäden zu verursachen, beziehen sich die Unternehmen und die ihnen nahe stehenden Gutachter fast ausschließlich auf die DIN 4150 Teil 3, wonach Schäden an Wohnhäusern ausgeschlossen sein sollen wenn die bei dem Erdbeben aufgetretenen Schwinggeschwindigkeiten den Wert von 5 mm/sek nicht überschreiten. Eine derartig schematische Herangehensweise entspricht aber weder der in der Fachliteratur zu Bergschäden vertretenen Auffassung (vgl. Mollinga, Bergschadensregulierung, Stuttgart 2012, S. 59/60), noch der Rechtsprechung zu dieser Frage, die wiederholt betont hat, dass die DIN 4510 Teil 3 zwar Anhaltswerte gibt, aber „keine verlässliche Grundlage für die Annahme erschütterungsbedingter Gebäudeschäden“ enthält, sie deshalb nicht „schematisch angewandt werden“ dürfen (so z.B. LG Saarbrücken, Urteil vom 25.11.2011). Vielmehr muss grundsätzlich der Einzelfall betrachtet werden, wobei „unter anderem Fundamentausbildungen, Bauwerksdimensionen, die Bauweise und der technische Zustand des Gebäudes zu berücksichtigen“ sind (Mollinga, aaO., S. 60). Dass derartige Feststellungen bei einem eingetretenen Schadensfall in der Regel die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich machen, liegt auf der Hand. Gleichwohl kann der einzelne Hauseigentümer schon im Vorfeld dafür Sorge tragen, die Beweisführung im Schadensfall zu erleichtern.

Hierzu gehört in erster Linie, dass in regelmäßigen Abständen vom Eigentümer das Gebäude gezielt in Augenschein genommen und das Ergebnis dokumentiert wird. Insbesondere die Wand- und Bodenflächen sollten auf das Vorhandensein von Rissen untersucht werden. Der ausgewiesene Sachverständige für Bergschäden Andreas Mollinga schreibt in seinem lesenswerten Buch „Bergschadensregulierung“ hierzu: „Zum Beispiel sollten die Außenwände im Kellergeschoss vom Eigentümer im Bereich der Fensterbrüstungen und Fenstersturzbereiche halbjährlich auf Rissschäden überprüft werden. Die Überprüfung von elastischen Verfugungen zwischen einzelnen Baukörpern, z.B. Fuge zwischen Wohnhaus und Kelleraußentreppe oder Fuge zwischen Wohnhaus und Garage, sollte jährlich erfolgen“ (Mollinga, aaO. S. 32). Als „Anhang 1“ haben wir hierzu eine von dem Sachverständigen empfohlene Checkliste abgedruckt, aus der sich ergibt, in welchen Abständen welche Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden sollten, wobei es sich sicher empfiehlt, diese mit einer entsprechenden Bilddokumentation zu untermauern.

Falls bei den genannten Kontrolluntersuchungen tatsächlich Risse festgestellt werden sollten oder diese dem Gebäudeeigentümer schon vorher bekannt sind, ohne dass sie einem speziellen Schadensereignis zugeordnet wurden, empfehlen sich auf jeden Fall weitere Maßnahmen. Diese sind zwar mit Kosten verbunden, sind aber geeignet, ggf. nachzuweisen, dass ein eventuelles zukünftiges Erdbeben zu einem zuzurechnenden Schaden z.B. durch Verbreiterung, Verlängerung oder sonstige Veränderung des schon vorher vorhandenen Schadens geführt hat.

Wir haben hierzu geeignete technische Hilfsmittel herausgesucht, die mit relativ geringen Kosten privat beschafft und eingesetzt werden können:

  • Die einfachste, aber auch kostengünstigste Methode, Veränderungen bei bestehenden Rissbildungen zu beobachten, ist das Setzen von Gipsmarken über den jeweiligen Riss.

Gipsmarken

Der Nachteil dieser Methode besteht allerdings darin, dass Art und Ausmaß der Veränderung gar nicht oder nur eingeschränkt festgestellt werden können.

  • Um Veränderungen nach Art und Ausmaß genauer dokumentieren zu können, sollten sog. Rissmonitoren eingesetzt werden.

Rissmonitor

                                                    

Die Verwendung derartiger Rissmonitore ermöglicht es, auftretende Bewegungen und Verformungen vorhandener Risse schnell und sicher zu erkennen. Dieses wird dadurch möglicht, das die Monitore direkt über dem Riss angebracht und auf einen Nullpunkt fixiert wird. Da je nach Lage des Risses (z.B. Innen oder Außen, einheitliche Wandfläche, Ecken oder Maueranschlüsse) unterschiedliche Rissmonitore erforderlich sind und diese sich auch preislich sehr unterscheiden (so ist die einfache Ausführung für die Messung eines Wandrisses schon ab ca. 10 € zu haben, während Rissmonitore für Messungen im Eckenbereich 45 € und mehr kosten) kann an dieser Stelle nur auf die verschiedenen Anbieter wie z.B. die Firma sachverständigen-bedarf.de (www.sachverständigen-bedarf.de) verwiesen werden. Dort findet man auch weitere Hilfsmittel für den Einsatz bei der Feststellung von erdbebenbedingten Gebäudeschäden.

Wer allerdings ganz sicher gehen will, der sollte durch die Beauftragung eines auf Bergschäden spezialisierten Sachverständigen den gegenwärtigen Zustand seines Gebäudes zur Beweissicherung feststellen lassen. Hierzu hat uns der bereits mehrfach erwähnte Sachverständige Dipl.-Bauingenieur Andreas Mollinga (Dieselstr. 9, 45570 Marl - Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! -) im Juli 2014 z.B. folgendes Angebot - bezogen auf ein normales Wohnhaus - unterbreitet:

• Fachgerechte Vermessung und Dokumentation einschl. Fotos der Schäden

• Dokumentation schadensfreier kritischer Detailpunkte

• Einschätzung der Schadensursache

• Erforderliche Maßnahmen zur Instandsetzung

• Abstimmung der weiteren Vorgehensweise

• Auswertungsunterlagen

Pauschalpreis: 750,00 € / Netto

(Sonderkonditionen werden z.B. bei der gleichzeitigen Beauftragung für 3 Objekte eingeräumt, so dass auch hier empfohlen wird, ggf. die aktuellen Preise etc. direkt beim Sachverständigen zu erfragen)

Eine Frage ist bis hierhin allerdings noch offen geblieben. Die Frage nämlich, ob das alles denn noch erforderlich ist, wenn die von den Bürgerinitiativen geforderte „Umkehr der Beweislast“ im Berggesetz verankert wird. Korrekt bezeichnet handelt es sich dabei um die sog. Bergschadensvermutung nach § 120 Bundesberggesetz, die auf die Erdgasförderung ausgeweitet werden soll. Diese besagt, dass – bis zum Beweis des Gegenteils durch das Unternehmen –vermutet wird, dass ein im Einwirkungsbereich der Erdgasgewinnung durch Senkungen, Pressungen oder Zerrungen der Oberfläche oder durch Erdrisse entstandener Schaden, der seiner Art nach ein Bergschaden sein kann, durch das Förderunternehmen verursacht worden ist. Das hört sich gut an und führt gegenüber der bisherigen Rechtslage, nach der die Geschädigten die vollständige Beweislast für die Schädigung durch Erdgasförderung hatten, auch sicherlich zur Verbesserung ihrer Situation in einem evtl. Prozess über seine Schadensersatzansprüche. Bei genauerer Betrachtung gibt die Bergschadensvermutung dem Geschädigten aber weit weniger, als man zunächst glauben möchte. Nicht nur weil sie nur in einem im Einzelfall festzulegenden Einwirkungsbereich und – nach den Gesetzesplanungen – nur für Erdbeben mit einer Lokalmagnitude von mindestens 2,0 (ML) gilt. Vor allem auch, weil auch im Rahmen der Bergschadensvermutung der Geschädigte immer noch den Zusammenhang zwischen Erdbeben und Schadenseintritt nachweisen muss und sich zudem mit evtl. Gegenbehauptungen der Unternehmen (Baumangel) auseinandersetzen muss. Um in dieser Situation „bessere Karten zu haben“ sollten auf jeden Fall die zuvor beschriebenen Maßnahmen ergriffen werden.

Etwas „bessere Karten“ haben Erdbebengeschädigte in Niedersachsen allerdings jetzt schon. Seit dem 1. August 2014 hat nämlich die „Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen“ ihre Arbeit aufgenommen. An die Schlichtungsstelle können sich Betroffene wenden, deren Gebäude durch die Erdgasförderung ausgelöste Erdbeben Schäden aufweisen, die von den Förderunternehmen gleichwohl überhaupt nicht oder nur unzureichend ersetzt worden sind. Das Verfahren ist dabei grundsätzlich kostenfrei. Die Schlichtungsstelle setzt sich zusammen aus dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Einen der Beisitzer kann sich der Betroffene speziell für sein Verfahren aus einer entsprechenden Liste, die nach Vorschlägen verschiedener Bürgerinitiativen erstellt wurde, aussuchen. Die Geschäftsstelle befindet sich beim Landkreis Rotenburg (Wümme). Unter der Telefonnummer 04261/9832758 kann man dort weitere Auskünfte erhalten und die entsprechenden Anträge stellen. Im übrigen sind diesem Text auch die Liste der Beisitzer und ein Antragsformular als „Anhang 2 + 3“ beigefügt. Insoweit noch ein besonderer Hinweis: Eventuelle Schadensersatzansprüche aus dem Erdbeben vom 22. November 2012 verjähren in der Regel am 31.Dezember 2015. Wer also die Chance eines eventuellen Schlichtungsverfahrens ergreifen möchte, sollte mit der Antragstellung nicht mehr allzu lange warten.